Sonntag, 12. Mai 2013

Die Reise, der Weg und der Mensch

"Jede lange Reise beginnt mit dem ersten Schritt." - Chinesisches Sprichwort

Diese Weisheit ist universell. Meistens ist sie mehrschichtig, ist es doch immer eine Interpretation, was die Reise ist, wie der erste Schritt de facto aussieht und worum es im Ganzen überhaupt geht. Hier, für mich, möchte ich diesen Satz gleich mehrfach benutzen.

Der erste Blog eines Neu-Bloggers ist naturgemäß ein Schritt in eine neue, unbekannte Welt. Die Reise ist in diesem Fall dieser Blog selbst. Wohin sie führt, ist unklar, genauso, wie lang sie sein wird. Ich wünsche mir, dass es eine lange Reise wird. Nicht nur, damit ich dem Eingangssatz gerecht werde, sondern auch, weil ich meine Gedanken mit euch teilen möchte.

Im Grunde sollte jeder Blog wenigstens einem ungefähren Pfad folgen, damit der Weg nicht zu verwunden ist. Das wird auch hier der Fall sein. Dennoch gibt es oft genug verlockende Umwege, die eine Beschreitung wert sind, oder bequeme Abkürzungen, die wenig sensationall, aber effektiv sind. Beides wird es geben, beides ist "legitim", solange das Ziel näher kommt.

"Der Weg ist das Ziel." - Konfuzius

Demnach ist es im Grunde uns selbst überlassen, welchen Weg wir nehmen, solange wir ihn beschreiten. Das Ziel selbst ist weniger wichtig, heißt es doch auch, dass wir angekommen sind, dass wir zu einem Ende gekommen sind. Dann muss ein neues Ziel her. In diesem speziellen Fall will ich das Ziel gar nicht erreichen. Es gäbe auch keines, welches ich mir gesteckt hätte.

Aus einer mehr wörtliches Sicht des Sprichworts möchte ich über meine diversen Reisen berichten und den Begegnungen, die es in einem solchen Fall so geben kann. Was ist eine Reise? Mit gepackten Koffern in den Urlaub fliegen? Sicherlich. Morgens die Semmeln vom Bäcker nebenan besorgen? Wohl auch. Jeder Weg, jeder Tag ist eine Reise. Und es kann viel passieren. Wir begegnen anderen Menschen, anderen Kulturen und anderen Eindrücken. Jeder Schritt birgt Überraschungen. Und das soll Thema dieses Blogs werden.

Um einmal ein klassisches Beispiel zu geben: Vor ein paar Monaten kam ich wieder einmal am Münchner Flughafen an. In der Gepäckbandhalle wartete ich auf meinen Koffer, als ein etwas älterer Herr an den Bändern entlang ging. An ihm fiel auf, dass er nichts bei sich hatte. Normalerweise haben die Reisenden eine Tasche, möglicherweise bereits einen Koffer, eine Jacke oder irgendetwas. Aber dieser Mann schlurfte, was ich nun sehen konnte, ohne jegliches Habe bei sich zu haben herum. Er zog ein Bein leicht nach, ging etwas gebückt, wirkte abwesend. Bis er auf einmal, als wenn ihm jemand einen Stachel in den Rücken gestochen hätte, abrupt stehen blieb, sich so gut es ging aufrichtete und sichtbar die Ohren spitzte.

Was war passiert? Man konnte es nicht sagen. War er nicht alleine unterwegs und hatte soeben ein Begleiter nach ihm gerufen? Hatte er stechende Schmerzen gehabt? Sein Gesichtsausdruck bestätigte weder das Eine noch das Andere. War es also ein Gedanke, eine Emotion, die ihn anhalten liess? Hatte er sich auf einmal an etwas erinnert? Oder stutzte er, weil er nicht wusste, wo er war?

Vermutungen, alles nur Vermutungen. So richtig wird niemand wissen, was genau passierte. Ob es sich um einen demenzkranken Großvater auf einer Reise mit seiner Familie handelte oder ob es etwas ganz anderes war, wird aus diesem Ausschnitt nicht klar. Haben wir in unseren Begegnungen mit anderen Menschen immer die Gelegenheit, ein komplettes Bild zu erhalten? Nein, es wird meist ein Schnappschuss bleiben. Dennoch machen wir uns ein Bild von unserem Gegenüber.

Das geschieht tagtäglich, und es geschieht automatisch. Wir nehmen wahr, wir bewerten und wir fügen das gerade Erlebte in unseren Gesamteindruck der Person ein. Und würzen es dann noch mit Vermutungen, Annahmen und Vorurteilen. So verschmilzt die subjektiv wahrgenommene Realität mit einem Teil unserer Bewertungen.

Jetzt liegt es an uns. Haben wir einen direkten Kontakt zu dieser Person, können wir uns diesen Eindruck bestätigen oder widerlegen lassen. Haben wir keinen, bleiben wir mit dem, was wir uns gerade erfolgreich(?) zusammengereimt haben. Im ersten Fall kommen oder bleiben wir sehr nah an der Realität, an der tatsächlichen Art und Weise, wie diese Person mit uns umgeht. Im zweiten Fall treibt unsere Fantasie wilde Blüten.

Wer kann schon sagen, ob dieser ältere Herr wirklich dement war? Es ist meine ganz persönliche Annahme, was für eine Geschichte dieser Mann hat. Vielleicht liege ich damit richtig, vielleicht auch komplett daneben. Im Grunde ist es auch nicht wichtig, denn es ist eine Momentannahme. Wichtiger wäre es, wenn wir einen uns nahestehenden Menschen so ansehen und so bewerten würden.

So schnell können in unseren Köpfen Annahmen und Vermutungen entstehen, die manchmal gar nicht hinterfragt werden. Schon sind vorschnelle Meinungen gebildet und werden Menschen in Schubladen gesteckt. Jeder sollte sich dessen bewusst sein.

Und jeder sollte damit sehr vorsichtig sein.

P.S.: Könnte dieser Mann nicht auch ein etwas verwirrter Physik-Professor gewesen sein, der auf einmal Einsteins und Newtons Theorie zusammengebracht hatte?

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